Blog

corona x orchesterfoto (2021)

Gruppenfotos haben ihre ganz eigenen Herausforderungen. Irgendjemand schaut doch immer gerade weg, oder doof — und dann fangen die Nebenstehenden an Faxen zu machen. Als Fotograf ruft man dann dauernd: »Du da, mit dem schwarzen Anzug, noch ein Stück nach links.« Aber das geht natürlich vollkommen in die Hose, weil alle einen schwarzen Anzug anhaben, also zumindest Musiker beim Orchesterfoto. Kurzum: Ich ziehe eigentlich das Einzelporträt dem Gruppenbild vor.

Zusätzlich war Anfang 2021 bekanntlich ein weiteres kleines Problem in der Welt, das uns alle davon abgehalten hat, uns in größeren Gruppen zusammenzufinden. Weil aber nun das Orchesterfoto bei den Bremer Philharmonikern eine zentrale Rolle spielt, ergab sich für mich die einmalige Gelegenheit, aus der Not eine Tugend machen. Es blieb uns im Grunde nichts anderes übrig, als alle Musiker:innen einzeln zu fotografieren und erst nachträglich zu einem Gruppenfoto zusammenzubauen.

So ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir konnten uns problemlos an die Kontaktbeschränkungen halten und ich hatte darüber hinaus den Luxus, mich auf jeden einzelnen Musiker:in und deren Moment zu konzentrieren. Technisch war das Ganze natürlich trotzdem eine ziemliche Herausforderung. Nicht zum ersten Mal habe ich dabei Capture One zu schätzen gelernt. Mit Hilfe der Live-Bild-Überlagerung konnte ich die Musiker:innen sehr genau zu den bereits aufgenommenen dirigieren. So gut man halt durch eine FFP2-Maske im Gesicht über 15 m Abstand sprechen kann. Hat aber alles doch ganz gut hingehauen.

Damit sich niemand mit »das geht doch nicht, mit 75 Menschen auf einer Bühne« echauffieren kann, wollten wir einige mehr oder weniger dezente Hinweise im Bild einbauen. Viele Musiker tauchen mehrfach im Bild auf, stehen sowohl vorne in der großen Gruppe, als auch im Hintergrund. Pieter Bruegels »Der Kampf zwischen Karneval und Fasten« hatte mir Stefan von oblik mit auf den Weg gegeben. Und so wurde aus einem Gruppenfoto eigentlich mehr ein Wimmelbild — und davon wollte ich schon länger noch mehr machen.

Außerdem hatte ich klammheimlich auf einen öffentlichen Aufschrei gehofft, dass die Bremer Philharmoniker ausgerechnet während der Pandemie auf über 115 Mitglieder gewachsen sind. Aber so genau hat dann wohl noch niemand nachgezählt. Bisher hat sich auch noch niemand beschwert, dass ich meine Wenigkeit mit auf das Orchesterfoto schummeln konnte.

Einen besonderen Nachtrag war dann noch Generalmusikdirektor Marko Letonja, der war nämlich in unserem Produktionszeitraum nicht in Bremen, sondern in Amsterdam und konnte coronabedingt auch nicht einfach dazustoßen. Trotzdem steht er, seiner Position entsprechend, zentral im Pressebild. Als er wieder in Bremen war, konnten wir terminbedingt nicht mehr in den Theatersaal — also stellten wir die Entfernungen im Probesaal der Philharmoniker nach. Vielleicht ist ja auch jemandem dieses kleine »Making of« im Saisonbuch aufgefallen…